Operation Explorer: Wo wird operiert, wer erkrankt wo?

19.06.2017
Beispiel einer Visualisierung von medizinischen Daten im Operation Explorer (Bild: HITS)
Beispiel einer Visualisierung von medizinischen Daten im Operation Explorer (Bild: HITS)

Der „Operation Explorer“: Ein Werkzeug für Datenjournalisten, die regionale Unterschiede in der stationären Krankenversorgung recherchieren wollen.


In deutschen Krankenhäusern werden jedes Jahr 18 Millionen stationäre Eingriffe vorgenommen. Was viele Kranke im Krankenhaus nicht ahnen: Wo sie wohnen, entscheidet manchmal darüber, wie oft sie als Patient operiert werden und mit welchem Ergebnis.
Mit dieser Arbeitshypothese entwickelten der  Wissenschaftsjournalist Volker Stollorz und die Informatiker Meik Bittkowski und Wolfgang Müller aus der Scientific Databases and Visualization Gruppe am HITS eine Web-Anwendung interaktiven Exploration von Krankheitsdaten: Der „Operation Explorer“ erlaubt es, regionale Unterschiede in der stationären Krankenversorgung und lokal auffällige zeitliche Muster sichtbar zu machen – für alle Kreise und kreisfreie Städte Deutschlands.  Das Projekt wurde durch die Robert-Bosch-Stiftung im Rahmen des Programms „Neue Wege im Datenjournalismus“ gefördert. Der „Operation Explorer“ und weitere Werkzeuge helfen Journalisten damit bei datenbasierten Recherchen in der stationären Krankenhausversorgung.

Datenquelle ist das Statistische Bundesamt und die dort fortgeschriebene „Fallbezogene Krankenhausstatistik“. Die HITS-Informatiker haben die Daten des Statistischen Bundesamts für Journalisten durchsuchbar gemacht. In einem großen Rechercheprojekt hat ein Journalistenteam dieses „Datengold“ ausgewertet und eine Reportage produziert. Ausstrahlungstermin: Montag, 19.06.2017, 22:45, in der ARD.

Mehr Informationen zu der Datenauswertung finden Sie hier.

FAQ zum „Operation Explorer“

Wie entstand der „Operation Explorer“?

Die Idee zum „Operation Explorer“ ist während der Zeit von Volker Stollorz als „Journalist in Residence“ am HITS entstanden. Dieses in Deutschland einmalige Stipendien-Programm ermöglicht Wissenschaftsjournalisten einen längeren Aufenthalt am HITS und gibt ihnen die Gelegenheit, neue Entwicklungen in der Datenwissenschaft kennenzulernen.  Die Forschungsgruppe „Scientific Databases and Visualization“ (SDBV) unter Leitung von Wissenschaftler Wolfgang Müller hat den „Operation Explorer“ in enger Abstimmung mit Volker Stollorz und einer Gruppe von Datenjournalisten entwickelt. Das Projekt wurde durch die Robert-Bosch-Stiftung gefördert. Inzwischen ist das Projekt am Science Media Center Germany in Köln angesiedelt und soll Journalisten als Recherchetool dienen.

Woher stammen die Daten?

Datenquelle ist das Statistische Bundesamt und die dort fortgeschriebene „Fallbezogene Krankenhausstatistik“ (DRG Statistik 2009-2015). Der Bevölkerungsstand entspricht dem Zensus 2011, das Kartenmaterial stammt von GeoBasis-DE / BKG 2013.

Was ist das Ziel des „Operation Explorer“?

Das Ziel ist, Daten über Diagnosen und Prozeduren in Krankenhäusern zu visualisieren und so aufzubereiten, dass man ein Gefühl, einen Eindruck von den Daten bekommt. Diesem Eindruck eines interessanten Musters muss dann noch prüfend nachgegangen werden: Sind die Daten statistisch relevant, wie lassen sie sich begründen? Letzteres ist dann Gegenstand der journalistischen Recherche.

Muss ich Angst haben, dass mein Nachbar durch so ein Werkzeug von meiner Krankheit erfährt?

Nein. Die Daten, die der „Operation Explorer“ aufbereitet, sind örtlich per Landkreis aufgelöst. Daten über Krankheitshäufigkeiten in Ortschaften oder gar Straßen enthält der „Operation Explorer“ nicht.

Was macht der „Operation Explorer“ genau?

Der Hauptteil des „Operation Explorers“ ermöglicht, Kreis-Weise Daten altersstandardisiert anzuzeigen. Jeder Kreis wird entsprechend der relativen Häufigkeit einer Prozedur bzw. einer Diagnose eingefärbt. Informationen zum Kreis werden angezeigt, wenn man mit der Maus über den Kreis fährt.

Ferner gibt es Erweiterungen, die für die verschiedenen Kreise anzeigt, wie sich Häufigkeiten über die Zeit verschieben. Dies passiert in so genannten „bubble charts“.
Ferner gibt es Erweiterungen, die statistische Besonderheiten detektieren und anzeigen.

Kann der „Operation Explorer“ den Nutzer täuschen?

Ja. Stellen Sie sich eine Krankheit vor, die einen von 100.000 Menschen ereilt. Und stellen Sie sich einen Kreis vor, der 10.000 Einwohner hat. In den meisten Jahren wird der Kreis 0 Menschen haben, bei denen diese Diagnose neu gestellt wird. Aber ab und zu (ungefähr alle 10 Jahre) wird einer oder sogar mehr Menschen aus den 10.000 Einwohnern krank sein. Und schon sind in diesem Jahr und in diesem Kreis 10x so viele Leute krank wie über Deutschland gemittelt.

Der „Operation Explorer“ zeigt so etwas ungefiltert an, geht aber davon aus, dass die NutzerInnen die Information über die Häufigkeiten bewerten können und in solchen Fällen entsprechend nachprüfen.

Für wen ist der „Operation Explorer“ gedacht?

Die Zielgruppe sind Wissenschaftsjournalisten, die ein Gefühl für Statistik haben, die den „Operation Explorer“ als Ideengeber für Recherchen und nicht als letzte Instanz verwenden. Das Projekt ist am Science Media Center Germany angesiedelt. Projektleiterin und Ansprechpartnerin ist Meike Hemschemeier.

Warum hat das HITS die Software entwickelt?

Wir forschen für die Gesellschaft. Mit unserem Know-how als datenwissenschaftliches Institut wollen wir Journalisten bei der Recherche unterstützen und ihnen ermöglichen, aus riesigen Datenmengen nachprüfbare Fakten zu extrahieren. Diese bilden die Basis für zielgerichtete Recherchen und Interviews.

Über das HITS

Das HITS (Heidelberger Institut für Theoretische Studien) wurde 2010 von dem Physiker und SAP-Mitbegründer Klaus Tschira (1940-2015) und der Klaus Tschira Stiftung als privates, gemeinnütziges Forschungsinstitut gegründet. Es betreibt Grundlagenforschung in den Naturwissenschaften, der Mathematik und der Informatik. Zu den Hauptforschungsrichtungen zählen komplexe Simulationen auf verschiedenen Skalen, Datenwissenschaft und -analyse sowie die Entwicklung rechnergestützter Tools für die Forschung. Die Anwendungsfelder reichen von der Molekularbiologie bis zur Astrophysik. Ein wesentliches Merkmal des Instituts ist die Interdisziplinarität, die in zahlreichen gruppen- und disziplinübergreifenden Projekten umgesetzt wird. Die Grundfinanzierung des HITS wird von der Klaus Tschira Stiftung bereitgestellt.

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